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Neue Ausgabe der „Gerbergasse 18“ zum Schwerpunkt DIKTATURFOLGEN erschienen
Im Prozess der Aufarbeitung der Dikatur(en) hat sich schmerzhaft gezeigt, dass sich Nachwirkungen, Konsequenzen und Spätfolgen nicht mit einer Datumsgrenze oder dem Erreichen von Jahrestagen erledigt haben. Aktuell wird ein „Sechstes Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR“ in den Deutschen Bundestag eingebracht. Mit gesetzlichen Veränderungen soll die Situation der – noch lebenden – SED-Opfer verbessert werden, dazu gehört die Einrichtung eines Härtefallfonds, die Dynamisierung der Zuwendung für Haftopfer, die Anpassung der Definition der Opfergruppen an die Forschungslage sowie die Erleichterung der Beantragung und Bewilligung von Hilfen und Leistungen. Durch das vorzeitige Ende der Ampel- Regierung im November 2024 wird eine Verabschiedung wiederum hinausgezögert.
Obwohl Rehabilitierungen, Entschädigungen und Restitutionen fortlaufend stattfinden, lassen sich mit der Zahlung symbolischer Beträge erlittenes Leid nicht lindern oder versperrte Lebens- und Karrierewege nachträglich ausgleichen. Wenn auch nicht täglich sichtbar, bleiben die Diktaturfolgen präsent und nicht auf die unmittelbar Betroffenen beschränkt, denn wir alle tragen und zahlen diese Kosten mit Zins und Zinseszins. Dazu zählen unter anderem die finanziellen Aufwendungen, etwa für die enormen Entsorgungs- und Sanierungskosten.
Zu fragen wäre also nicht allein, was „uns“ die Einheit gekostet hat, sondern welche Kosten die Teilung (bis heute) verursacht. Folgenreich war vor allem der Verlust an Menschen, die das Land vor und nach der Einmauerung verließen. Von diesem Aderlass, allein drei Millionen bis 1961, hat sich der Osten nie erholt. Nach 1990 verloren die „neuen“ Bundesländer nochmals über eine Million Menschen durch Fortzug. Diese und andere Diktaturfolgen werden im neuen Heft verhandelt und dargestellt. Darunter die Markierung des Haftortes Hohenleuben als DENKOrt, die Langzeitfolgen für das ehemalige Wismut-Bergbaugebiet, die fehlende Rehabilitierung von Zersetzungsopfern der SED-Diktatur, die Kulturgutentziehungen in SBZ und DDR sowie Traumatisierungen, unter denen viele von politischem
Unrecht Betroffene und ihre Angehörigen bis heute leiden.
In den Rubriken Zeitgeschichte und Zeitgeschehen warten weitere spannende Beiträge, etwa zu Erfurter Fußballfans im Visier der Staatssicherheit und der Erinnerung an sowjetische Verhaftungen und Speziallager seit 1989/90. Rezensionen zu Neuerscheinungen über ostdeutsche Erotikshops, der „Riesaer Petiton“ von 1976 und der polnischen Gewerkschaftsbewegung Solidarność ergänzen das Heft.
Die aktuelle Ausgabe der „Gerbergasse 18“ (Heft 112) ist im lokalen Buchhandel oder direkt über die Geschichtswerkstatt Jena erhältlich.
Eine Inhaltsübersicht und Leseproben gibt es HIER.
Filmpremiere „Verlorene Zeit – Gegen das Schweigen“ am 30. Oktober 2024 um 18 Uhr im Schillerhof-Kino Jena
Im Film „Verlorene Zeit – Gegen das Schweigen“ gehen vier Menschen auf eine Spurensuche in ihre Vergangenheit. Im Durchgangsheim Schmiedefeld, im Jugendwerkhof „Neues Leben“ Wolfersdorf und im Frauengefängnis Hohenleuben waren sie der Willkür des SED-Regimes ausgeliefert, weil sie als „schwer erziehbar“ galten oder in den Westen wollten. Die Zeitzeugen sprechen über Gewalterfahrungen, Isolation und Zwangsarbeit in Einrichtungen der repressiven DDR-Heimerziehung und im Strafvollzug sowie über die Gründe ihrer Einweisung oder Verhaftung. Jugendliche, die sich nicht ins Normsystem der DDR einfügen wollten oder konnten, sollten mit Zwangsmaßnahmen zu „sozialistischen Persönlichkeiten“ erzogen werden. Auch in Thüringen gab es solche Einrichtungen.
Zum Filmtitel sagt Regisseur Torsten Eckold: „Die Zeit in den Kinderheimen, im Jugendwerkhof und die Inhaftierung im Gefängnis war eine verlorene Zeit, die den Betroffenen ihre Kindheit und Jugend genommen hat. Mit dem Film versuchen wir, diese Zeit einzufangen und gegen das Schweigen, vielleicht auch gegen das gesellschaftliche Schweigen anzukämpfen.“
Der Dokumentarfilm entstand in Zusammenarbeit mit dem Projekt DENKOrte des Thüringer Archivs für Zeitgeschichte „Matthias Domaschk“. Projektkoordinatorin und Redakteurin Stefanie Falkenberg sagt zur Motivation: „Kürzlich hat eine neue Studie der Universität Leipzig ergeben, dass die Sehnsucht nach der DDR weiterhin erstaunlich groß ist. Unser Film beleuchtet anschaulich und sehr fühlbar eine andere Wirklichkeit der DDR, die mit Sicherheit niemand für sich oder seine Familie zurück möchte.“ Die Historikerin plädiert dafür, dass in Fragen der Aufarbeitung von SED-Unrecht den Zeitzeugen mehr zugehört wird. Filmemacher Torsten Eckold berichtet, dass die größte Herausforderung bei der Umsetzung darin bestand, das Vertrauen der Zeitzeugen zu gewinnen, damit sie vor die Kamera treten und über ihre Erlebnisse berichten. An der 90-minütigen Dokumentation wirken als Experten der Politologe Christian Sachse sowie Manfred May mit, der seit Jahrzehnten als Anlaufstelle für ehemalige Heimkinder in Thüringen fungiert und zum Thema eine eigene Buchreihe herausgibt.
Entstanden ist „Verlorene Zeit – Gegen das Schweigen“ durch Mittel der Filmförderung des Freistaats Thüringen, der Thüringer Staatskanzlei, private Spenden im Rahmen einer Crowdfunding-Kampagne der Stadtwerke Jena sowie mit Unterstützung der Geschichtswerkstatt Jena und der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen.
Im Anschluss an die Filmpremiere besteht die Möglichkeit, mit den Filmteam und anwesenden Protagonisten ins Gespräch zu kommen. Eine zweite Kino-Veranstaltung findet am 23. November 2024 (17 Uhr) ebenfalls im Schillerhof-Kino in Jena-Ost statt.
Premiere mit Filmgespräch am 30. Oktober 2024, Beginn: 18 Uhr (Blauer Saal)
Film und Gespräch mit dem Filmteam am 23. Novemver 2024, Beginn: 17 Uhr (Blauer Saal)
Karten-Reservierungen für beide Kino-Veranstaltungen unter: www.schillerhof.org