Aktuelle Meldungen und Veranstaltungen

Meldung vom 13. Juni 2024

Neue Ausgabe der Zeitschrift „Gerbergasse 18“ mit Schwerpunkt AUFARBEITUNG erschienen

Es ist ein typisch deutscher Begriff und kaum zu übersetzen: Aufarbeitung. Zum komplizierten Umgang mit der Aufarbeitung trägt sicher auch die breite Anwendung in den Medien und im Alltag bei. So sprechen wir verschiedenartig von einer historischen, gesellschaftlichen, moralischen oder juristischen Aufarbeitung. Unbestritten ist, dass jede Form der Aufarbeitung sowohl eine gemeinschaftliche Dimension hat wie auch eine persönliche Ebene besitzt – beides bedeutet Arbeit. Der Aufarbeitungsprozess profitiert dabei von unterschiedlichen Impulsen. Während die wissenschaftliche Forschung Analysen und Wissen bereitstellt, sind es engagierte Akteure vor Ort, die hartnäckig ein Thema untersuchen und die Aufarbeitung zu ihrer Lebensaufgabe gemacht haben. Aufarbeitung als Auseinandersetzung mit der Vergangenheit kennt keine Ablauffrist und auch keinen Schlussstrich. In der neuen „Gerbergasse 18“ wird das breite Feld der Aufarbeitung der SED-Diktatur aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet, hinterfragt und bilanziert. Dabei ist Aufarbeitung nicht rückwärtsgewandt, sondern mischt sich in aktuelle Debatten ein. So zeigt die Historikerin Anke Geier unter dem Motto „Historisches Wissen hilft“, in welcher unsäglichen Unrechtstradition die Vertreibungsfantasien der Neuen Rechten mit Vertreibungsereignissen in zwei deutschen Diktaturen im 20. Jahrhundert stehen.
Auch das übrige Heft bietet wieder spannende Zugänge zu Themen der Zeitgeschichte und dem historisch-politischen Zeitgeschehen. Dargestellt wird etwa, wie die fakenews der DDR-Propaganda vom „Amikäfer“ 1950 eine Berufsbiografie zerstörten oder wie Vorkommnisse um einen öffentlichen Brunnen im „Orwell-Jahr“ 1984 in Greifswald zur Intervention der DDR-Geheimpolizei führten. Der Einblick in die wenig bekannte Geschichte der Freimaurerei in der DDR verdeutlicht, wie sich die Unterdrückung der freimaurerischen Organisation von der einen in eine neue Diktatur im Osten Deutschlands fortsetzte. Der Autor Utz Rachowski erinnert in einem persönlichen Nachruf an die im Januar 2024 verstorbene Ärztin Elisabeth Kunze, Frau und literarische Wegbegleiterin von Lyriker Reiner Kunze. Matias Mieth reflektiert aus Anlass einer Stolpersteinverlegung in Jena über den Stand der städtischen Diskussions- und Geschichtskultur.
In Rezensionen werden aktuelle Publikationen besprochen. Darunter ein umfangreiches Buch über Biografien, die durch die innerdeutsche Grenze schicksalshaft geprägt wurden, ein Jugendbuch über die Tunnelfluchten im geteilten Berlin, eine Studie über die Homosexuellenbewegung in Ost und West sowie eine Untersuchung über das Wirken der DDR-Auslandsspionage.
Die aktuelle Ausgabe der „Gerbergasse 18“ (Heft 110) ist wie immer im lokalen Buchhandel, ausgewählten Museen/Gedenkstätten oder direkt über die Geschichtswerkstatt Jena erhältlich.

Eine Inhaltsübersicht und Leseproben finden Sie HIER.

Meldung vom 07. Mai 2024

Gründungsmitglied und unermüdlicher Mahner. Erinnerung an den Jenaer Journalisten Frank Döbert (1955–2024)

Am 19. April 2024 starb Frank Döbert, der 1995 zur Gründergeneration der Geschichtswerkstatt Jena zählte. Beginnend mit der ersten Ausgabe 1996 steuerte der 1955 in Weißenfels geborene Journalist über viele Jahre historische Beiträge für die Zeitschrift „Gerbergasse 18“ bei, in Summe über 20 Texte. Zuletzt im Jahr 2014 zu einem seiner vielen thematischen Schwerpunkte, den Ereignissen rund um den 17. Juni 1953.

Zu den eindrucksvollsten und auch immer wieder nachgefragten Texten gehört Döberts Artikelserie „Nie gesühnte Verbrechen“ über das Jenaer Polizei-Bataillon 311 im Zweiten Weltkrieg. Im Jahr 2009 mündeten seine mehrjährigen Forschungen in einer viel beachteten Ausstellung im Jenaer Stadtmuseum. Zu weiteren Schwerpunkten seiner Arbeit als emsiger Chronist und investigativer Rechercheur gehörten die Geschichte des Unternehmens Carl Zeiss Jena im 20. Jahrhundert, Rüstung und Zwangsarbeit im Zweiten Weltkrieg sowie die Aufdeckung der Jenaer Stasi-Vergangenheit und der Hintergründe des Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus in den 1990er Jahren.
Aufgrund vielfacher Nachfragen stellen wir die vier Beiträge zum Jenaer Polizei-Bataillon 311 aus den Jahren 2006 und 2007 hier online und möchten auf diesem Weg an Frank Döberts bleibende Leistungen für die historische Aufarbeitung erinnern.

Nie gesühnte Verbrechen. Das Jenaer Polizei-Bataillon 311 im Zweiten Weltkrieg

icon linkTeil 1, Heft 40

icon linkTeil 2, Heft 42

icon linkTeil 3, Heft 44

icon linkTeil 4, Heft 46

Frank Döbert während eines Zeitzeugengesprächs im Jahr 2010 in der Geschichtswerkstatt Jena. Foto: GWS-Archiv

 
 
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