Meldungen des Jahres 2023
Neue Ausgabe der Zeitschrift „Gerbergasse 18“ zum Schwerpunkt MUSIK erschienen
Immer wieder prägten musikalisch-politische Ereignisse die deutsch-deutsche Teilungsgeschichte. Darunter der „Beataufstand“ 1965 in Leipzig, als junge Musikfans gegen die rigide Kulturpolitik des SED-Staates aufbegehrten, das Kölner Konzert und die anschließende Ausbürgerung von Wolf Biermann 1976, der friedensbewegte Auftritt von Udo Lindenberg 1983 im Ostberliner „Palast der Republik“ oder als 1988 über Hunderttausend „Born in the USA“ von Bruce Springsteen auf dem Gelände der Radrennbahn Weißensee hymnisch mitsangen – das größte Konzertereignis in der Geschichte der DDR.
In der neuen Ausgabe der „Gerbergasse 18“ wird der thematische Bogen von der Kirchenmusik bis zum Heavy Metal gespannt. Das zeigt beispielhaft und ausschnittweise, wie vielschichtig und verästelt das Gebiet der musikhistorischen Forschung ist. Aber auch die unmittelbare Gegenwart wirkt zurück auf die Musikhistorie. Der russische Überfall auf die Ukraine veranlasste die „Scorpions“ dazu, den Text ihres Welthits „Wind of Change“ zu ändern. Damit möchte die Band, so Frontmann Klaus Meine, einer Romantisierung Russlands entgegenwirken. Der Song entstand unter den Eindrücken von Konzerten der Gruppe 1988 in Leningrad und symbolisierte Ende 1990, als der Titel veröffentlicht wurde, die Hoffnung auf eine friedvollere Welt. Inzwischen habe das Lied aber seine Bedeutung als Friedenshymne eingebüßt.
Das Heft 107 wartet mit vielen weiteren spannenden Beiträgen auf. Darunter ein Bericht über die Urteile sowjetischer Militärtribunale in Dresden, wo zwischen 1945 und 1953 rund 2500 deutsche Zivilisten verurteilt wurden. Ein Artikel zur politischen Geschichte der Technischen Hochschule Ilmenau zieht Bilanz nach einer mehrjährigen Forschungsarbeit. Unter der Überschrift „Sibirisches Erdgas für Westeuropa“ wird auf ein Jahrhundertprojekt zurückgeblickt. Die Trassenprojekte der DDR lassen sich aber auch mit Fragen nach Energiesicherheit und geostrategischen Abhängigkeiten in der Gegenwart verbinden. Des Weiteren widmet sich ein Text der Transportpolizei der DDR, die gemeinhin als „Bahnpolizei“ galt. Es wird gezeigt, dass die Trapo nicht lediglich der verlängerte Arm der Stasi war, aber gleichwohl intensiv an diese berichtete. Rezensionen zu aktuellen Neuerscheinungen runden die Ausgabe ab. Neben Besprechungen zum Film „In einem Land, das es nicht gibt“ über die DDR-Modewelt und zu einer Studie über das Reisen und den Tourismus im Sozialismus wird die Streitschrift „Der Osten. Eine westdeutsche Erfindung“ einer kritischen Prüfung unterzogen.
Das Inhaltsverzeichnis und einige Leseproben finden Sie HIER.
Die neue Ausgabe der „Gerbergasse 18“ (Heft 107) ist im lokalen Buchhandel oder direkt über die Geschichtswerkstatt Jena erhältlich.
70. Jahrestag des 17. Juni 1953: Stadtführung und Kinoveranstaltung
Am 17. Juni 2023 jährt sich der Volksaufstand 1953 zum 70. Mal. Die Geschichtswerkstatt Jena lädt an diesem Tag zu einer thematischen Stadtführung und einer filmischen Zeitzeugendokumentation ein.
Demonstranten umringen einen sowjetischen Panzer auf dem Jenaer Holzmarkt am 17. Juni 1953. Foto: Stadtarchiv Jena
„… und sucht eure Strausberger Plätze überall“, sagte der DGB-Vorsitzende Ernst Scharnowski aus West-Berlin in einer Radioansprache in den frühen Morgenstunden des 17. Juni 1953 gerichtet an die Demonstrierenden in Ost-Berlin und in der gesamten DDR. Auch Jena gehörte zu den Hochburgen des Aufstands gegen die SED-Diktatur.
Der Rundgang führt an historische Plätze des 17. Juni 1953 in Jena.
Treffpunkt: Hanfried-Denkmal, Marktplatz
Beginn: 13.30 Uhr
Die Teilnahme ist ohne Anmeldung und kostenfrei möglich.
Die circa 90-minütige Führung wird geleitet durch Detlef Himmelreich (Gästeführer der Stadt Jena) und endet am Opferdenkmal an der Gerbergasse. Danach ist ein Spaziergang und Gedankenaustausch auf dem Weg zur nachfolgenden Kinoveranstaltung in Jena-Ost möglich.
Verhängung des Ausnahmezustands nach dem Aufstand. Quelle: GWS-Archiv
Filmische Zeitzeugendokumentation „Der 17. Juni 1953 in Jena“ mit anschließender Diskussion.
In der 2014 entstandenen Zeitzeugenwerkstatt kommen Zeitzeuginnen und Zeitzeugen des 17. Juni 1953 in Jena selbst zu Wort.
Treffpunkt: Schillerhof-Kino (Helmboldstraße 1, 07749 Jena)
Beginn: 16.00 Uhr, Eintritt: 3 €
Vorbestellung der Kinokarten: https://www.schillerhof.org/de/programm?showName=juni
Eine Veranstaltung in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale politische Bildung Thüringen.
Weitere Veranstaltungen zum 70. Jahrestag des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 in Thüringen sind zu finden unter: https://thueringen.de/70-jahre-volksaufstand
Neue Ausgabe der Zeitschrift „Gerbergasse 18“ erschienen: Das Jahr 1983
Es war mutmaßlich das gefährlichste Jahr des Kalten Krieges, aber es versinnbildlicht auch Mut und Hoffnung angesichts von Atombedrohung und Aufrüstungslogik: 1983. Das neue Heft blickt zurück auf die Zeit vor 40 Jahren, um Ereignisse und Prozesse nachzuzeichnen, die von diesem Jahr ausstrahlen – zum Teil bis in die Gegenwart.
Der Umgang des DDR-Regimes mit Andersdenkenden zeigte sich im Frühjahr und Sommer 1983 gegenüber zwei in Jena entstandenen, zwar nur kurzlebigen, aber wegweisenden Gruppen: der unabhängigen „Friedensgemeinschaft Jena“ und der Ausreisebewegung „Weißer Kreis“. Im Juli wurde öffentlich bekannt, dass der klamme SED-Staat einen Milliardenkredit westdeutscher Banken erhalten wird, vermittelt durch den bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß. Auf dem regionalen Kirchentag in Wittenberg kam es im September zur symbolischen Umschmiedung gemäß der biblischen Losung „Schwerter zu Pflugscharen“, einem offiziell zensierten Ausspruch im „Friedensstaat DDR“. Im Oktober sang Udo Lindenberg im „Palast der Republik“ fast ausschließlich vor FDJ-Claqueuren den Song „Wozu sind Kriege da?“. Seine Kritik an der Raketenstationierung – in Ost und West – kostete ihn die ersehnte DDR-Tournee im Folgejahr. Und doch stand die Welt in jenem friedensbewegten Jahr (erneut) am Abgrund, weil die sowjetische Seite die NATO-Übung „Able Archer“ im November kurzzeitig als direkte Kriegsvorbereitung des Westens einordnete. Ende des Jahres erhielt Lech Wałęsa, stellvertretend für die freie Gewerkschaftsbewegung Solidarność, den Friedensnobelpreis, den in Oslo seine Frau und sein Sohn in Empfang nahmen, weil Wałęsa befürchten musste, nicht wieder nach Polen einreisen zu können.
Die Rubrik Zeitgeschichte enthält die Rekonstruktion eines Raubzugs der Staatssicherheit nach Antiquitäten in Südthüringen sowie das Porträt einer widerständigen Schülergruppe, die 1950 in Jena Flugblätter und die Satirezeitschrift „Tarantel“ verbreitete. Im Interview berichtet die Regisseurin Christa Pfafferott über ihre Recherchen zum Dokumentarflm „Die Ecke“, eine Spurensuche rund um ein Foto aus den letzten Kriegstagen 1945 im thüringischen Oberdorla. Der Schriftsteller Renatus Deckert nähert sich anhand eines rätselhaften Bücherfundes der Biografie eines hauptamtlichen Stasi-Mitarbeiters und fragt: Wer war Peter G.?
Die Ausgabe wird abgerundet durch Buchbesprechungen zu einem geheimen Leipziger Tonband aus dem Jahr 1976, zu einem dissidentischen Erfurter Fotoalbum, zur Feldforschung in der ostdeutschen Provinz und zum kürzlich erschienenen „Schwarzbuch Putin“.
Das Inhaltsverzeichnis und Leseproben finden Sie hier.
Die neue Ausgabe der „Gerbergasse 18“ (Heft 106) ist im lokalen Buchhandel oder direkt über die Geschichtswerkstatt Jena erhältlich.
Friedensgemeinschaft Jena 1983. Skizzen eines Protests
Mit eigenen Plakaten und Transparenten trat die Friedensgemeinschaft Jena am 18. März 1983 an die Öffentlichkeit. Vierzig Jahre danach, am 18. März 2023, zeigt die Geschichtswerkstatt Jena eine filmische Zeitzeugendokumentation zu dieser DDR-weit einmaligen Aktion zivilgesellschaftlichen Engagements unter den Bedingungen der SED-Diktatur.
Anfang der 1980er Jahre engagierten sich junge Menschen in Jena für Veränderungen, miteinander verbunden durch christliche, pazifistische und humanistische Motive. Vor 40 Jahren – im Frühjahr 1983 – trat eine Gruppe mit eigenen Aktionen und Forderungen an die Öffentlichkeit. Auf ihren Transparenten und Plakaten stand unter anderem: „Frieden schaffen ohne Waffen“, „Verzichtet auf Gewalt“, „Militarisierung raus aus unserem Leben“, „Weg mit dem Kriegsspielzeug“ und „Schwerter zu Pflugscharen“. Über den DDR-weit singulären Vorgang wurde auch im Westen berichtet. „Zehn sind manchmal wie Zehntausend“, so hatte der Schriftsteller Jürgen Fuchs, bereits 1977 nach West-Berlin ausgewiesen, die besondere Situation in Jena beschrieben. Doch neben der staatlichen Propaganda vom „Friedensstaat DDR“ wurden die Stimmen einer unabhängigen Friedensbewegung nicht geduldet. Nach Repressionen durch Behörden und Geheimpolizei (Aktion „Gegenschlag“) verließen die meisten Mitglieder der Friedensgemeinschaft das Land.
In der filmischen Dokumentation von Daniel Börner und Torsten Eckold kommen 13 beteiligte Zeitzeuginnen und Zeitzeugen selbst zu Wort. Welche Lebenswege und Entscheidungen führten sie damals als Gruppe zusammen? Was bedeutete das Eintreten für Frieden auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges? Wie schauen die Protagonisten auf das Erlebte zurück?